Bei KUNBUS am Linux-Kernel arbeiten

Ein eigenes Produkt entwickeln und gleichzeitig ein Open Source-Projekt unterstützen? Im Interview erzählt Lukas, wie und warum er für KUNBUS am Linux Kernel mitarbeitet – denn dem widmet er sich nicht ausschließlich um des Unternehmens Willens.

Kannst du uns kurz einen Einblick geben: Wie arbeitest du am Linux Kernel mit?

Lukas: Das Team und ich arbeiten ganz normal wie alle anderen Entwickler im Open Source-Projekt mit. Wir leisten z.B. Beiträge zur Optimierung oder Bugfixes speziell mit Blick auf den Raspberry Pi. Dadurch, dass wir diesen Fokus auf die Industrie haben, haben wir einen speziellen Blick verglichen mit der Raspberry Pi Foundation oder Maker-Szene. Gerade Beiträge zum Thema Zuverlässigkeit und Performance sind für uns spannend. Industrielle Kunden haben da schon Bedarf und brauchen Leistung. Also versuchen wir möglichst viel rauszuholen.
Ein gutes Beispiel für unseren Arbeitsalltag ist einer meiner größeren Bugfixes. Wir hatten diesen Bug, dass die Systeme regelmäßig eingefroren sind. Das war so Ende 2019, Anfang 2020 ein Riesenproblem, vor allem im industriellen Bereich. Wir haben das dann nach Monaten gelöst, weil das so schwierig zu packen war. Die Kolleg:innen von der Raspberry Pi Foundation konnten zunächst gar nicht glauben, dass dieser Fehler jahrelang unentdeckt geblieben war, nachdem ich das gemeldet hatte. An dem Tag bin ich einkaufen gegangen, kam heim, hatte etliche Meldungen von ihnen und dachte ‚Oh Gott, was haben sie denn geschrieben?.

Foto des Linux Entwicklers Lukas
Lukas arbeitet seit 2015 am Linux Kernel.

Du arbeitest jetzt schon seit 2015 am Kernel mit. Was begeistert dich an dem Open Source-Projekt?

Lukas: Von jeder Änderung, jeder Verbesserung, die wir einreichen, profitieren Millionen Leute. Und das ist einfach eine charmante Sache. Man hat einen Impact, das ist so für mich die Motivation. Ich weiß, dass es viele Bastler gibt, die den Raspberry Pi benutzen und denen mein Impact meist gar nicht bewusst ist. Aber Steve Jobs hatte mal gesagt ‚we are here to make a dent in the universe‘. Und ich habe das Gefühl, wir haben mit unseren Beiträgen tatsächlich einen Impact. Gerade im unternehmerischen Open Source-Bereich ist das so eine Meta-Ebene: Du arbeitest zwar für eine Firma, aber gleichzeitig ist es ein offenes Projekt und nicht ausschließlich spezifisch nur für die eine bestimmte Firma. Wenn man das Projekt oder Unternehmen wechseln würde, könnte man immer noch am Linux Kernel weiterarbeiten. Es ist einfach so, dass Open Source-Sachen langlebiger sind als das was irgendein Unternehmen macht. Also wenn du das kollaborative Arbeiten mal drauf hast, dann willst du da nicht mehr weg. Das macht süchtig. Also es ist auch manchmal anstrengend, z.B. weil Leute andere Meinungen als du haben, du die nicht durchsetzen kannst und dann muss man irgendwie ein Workaround finden oder damit leben.

Stichwort kollaboratives Arbeiten: Du hast jetzt einige Jahre Erfahrung mit dem Projekt, welche Learnings kannst weitergeben?

Lukas: Es ist normal, dass es am Anfang erst mal Überwindung kostet bei einem Projekt zu contributen, weil du völlig in der Öffentlichkeit unterwegs bist. Auch bei mir gab es dann schon die eine oder andere Streiterei, die jetzt öffentlich jeder auf den Mailinglisten für alle Zeiten einsehen kann. Aber wenn man diese Scheu oder Unsicherheit ein Stück weit abgelegt hat, dann wird es normal und es ist angenehmer.
Letztendlich ist es eine hohe Schule den Linux Kernel anzupassen, Änderungen auch zurückfließen und Sachen einpflegen zu lassen. Denn alles läuft über Mailinglisten, die Sachen müssen Vorgaben entsprechen, man muss sich verknüpfen. Da zeigt sich schon die soziale Komponente, man muss trotz der ausschließlichen schriftlichen Kommunikation die Leute verstehen, zwischen den Zeilen lesen und die Mentalität kennen lernen. Im Team bei KUNBUS haben wir da eine Kultur etabliert. Wir entwickeln den Patch, er wird intern getestet und dann kommt er auf die Mailingliste. Alle zwei Monate, wenn nämlich ein neues Linux-Release erscheint, müssen wir dann Überzeugungsarbeit leisten und argumentieren, sodass unsere Vorschläge fest integriert werden.
Und allen, die Open Source privat betreiben, kann ich nur weiter dazu ermutigen. Wie man bei mir sieht, kann sich da beruflich etwas ergeben. Denn alle Contributions sind sozusagen wie ein weiterer Eintrag in mein Portfolio und meinen Lebenslauf. Da habe ich persönlich was davon, das ist wie eine Art Visitenkarte.